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Archiv-Artikel

Heimspiel in der Freizeit-Oase

Schalkes Trainer Mirko Slomka gewinnt in seiner Heimatstadt Hannover 2:1. Einen „drauf machen“ will der Ex-Assistenzcoach aber erst, wenn Gelsenkirchens Saisonziele tatsächlich erreicht sind

Bei Bier und Bockwurst wurde einst über Taktik philosophiert

AUS HANNOVERMARCUS BARK

Es wäre eine gute Gelegenheit für Schalkes Trainer Mirko Slomka gewesen, mal wieder richtig einen drauf zu machen. Seine Mannschaft hatte mit 2:1 bei Hannover 96 gewonnen, er bleibt ohne Niederlage, der Rückstand auf den zweiten Tabellenplatz verkürzte sich auf zwei Punkte.

Slomka nennt Hannover seine „Heimat“ und seine „Freizeit-Oase“. Mindestens einmal in der Woche düst der 38-Jährige von Gelsenkirchen über die Autobahn 2 nach Hause zu seiner Frau und den zwei Kindern. Zehn Jahre hat Slomka für 96 gearbeitet. „Bei Bier und Bockwurst“ philosophierte er früher mit Stefan Mertesacker über Systeme und Taktiken. Slomka war damals Nachwuchskoordinator der Hannoveraner, der Vater von Per Mertesacker war Jugendleiter. Viele Freunde und einige Verwandte des Schalker Trainers waren am Samstag im Stadion. Slomka freute sich darauf, sie nach dem Spiel zu treffen. Es wurde ein kurzes Vergnügen. Gestern war um 10 Uhr Training, am Abend beobachtete Slomka den nächsten Bundesligagegner, Eintracht Frankfurt.

Mirko Slomka ist in den vergangenen Wochen in erster Linie als der nette Herr Slomka wahrgenommen und medial verarbeitet worden, was ihm nicht nur peinlich ist. Es stört ihn. Peinlich ist ihm auch, wenn er dafür verantwortlich gemacht wird, dass Schalke die beste Rückrundenmannschaft ist. Slomka stellt die Spieler in den Vordergrund. Die Mannschaft gilt seit Jahren als schwierig. Mit dem ehemaligen Co-Trainer des ungeliebten Ralf Rangnick, so ist zu hören, komme sie bestens zurecht. „Er lässt uns in Ruhe und im Kopf frei“, sagte Marcelo Bordon.

Besonders gut zu sprechen auf seinen neuen Chef ist Zlatan Bajramovic. Der Bosnier kam vor Saisonbeginn vom Bundesliga-Absteiger SC Freiburg. Nach einigen guten Spielen zu Beginn setzte ihn Rangnick auf die Bank. Das Verhältnis zwischen den beiden war angespannt. Der Trainerwechsel und die Verletzung von Hamit Altintop gaben Bajramovic eine neue Chance. Die hat er genutzt. Am Samstag sorgte er für eine Verlängerung des 1:4-gegen-Italien-Traumas bei Per Mertesacker. Bajramovic legte den Ball rechts am Nationalspieler vorbei, entwischte ihm links und schlenzte den Ball zum 2:0 ins Tor (28. Minute). „Das war ein wunderschönes Tor“, sagte Slomka, der den Bosnier eher bremsen muss: „Er kämpft und grätscht, setzt sich voll ein. Er geht mit riesigem Selbstvertrauen auf den Platz, manchmal spielt er fast zu offensiv.“

Bajramovic, 26, blieb bescheiden. Nur sein Hang zur Übertreibung fiel auf. Es gebe noch „1000 Spiele“ und damit „1000 Chancen“, am Hamburger SV, Werder Bremen oder beiden vorbeizuziehen. Mut machte ihm, da schienen sich alle Schalker abgesprochen zu haben, ein Blick in die Ergebnislisten: „In Hannover hat von oben keiner gewonnen, nur wir. Hamburg hat verloren und Bayern nur mit Glück einen Punkt geholt.“

Der Erfolg der Schalker ohne Kevin Kuranyi und Lincoln war fraglos verdient, wenn auch nicht glanzvoll. Das scheint die neue Masche zu sein. Mit Ausnahme des spektakulären 7:4 gegen Bayer Leverkusen gelangen in der Rückrunde in Kaiserslautern, Berlin, gegen Nürnberg und nun in Hannover Siege, die unter Fußballern anerkennend als „schmutzig“ bezeichnet werden.

Mirko Slomka bleibt auch deshalb bodenständig. Beim lustigen Plausch mit Hannover-Trainer, Ruhrpott-Bewohner und Schalke-Fan Peter Neururer wirkt der Gelsenkirchener Coach eher zurückhaltend. Schwierig werde es erst, wenn die ersten Rückschläge kommen. Wenn er die meistert, mindestens Dritter wird und damit auch in der kommenden Saison Trainer des FC Schalke 04 bleibt, wird er auch mal wieder richtig einen drauf machen.